Archiv der Kategorie: Was war los?

Ich bin sooooooo schlau!

SZ: Es gibt artige und unartige Geschichte über Deutschland. Ulrich Herberts Geschichte ist einzigartig. Kompliment.

 

Und schon mag man gar nicht mehr weiterwissen, was Franziska Augstein (SZ von heute) vorgibt, wissen zu wollen.

Gibt es eine eitlere, selbstverliebtere, gespreiztere Art, in ein Interview einzusteigen? Mir fällt keine ein.

Was war los, Süddeutsche?

Was war los, SPIEGEL-ONLINE?

 

Wenn ein Interview so angeteasert wird

„Bla bla bla“, flüsterte sein Dolmetscher ihm ins Ohr, als er auch nicht mehr weiter wusste – das erzählt Hollywood-Größe Tom Hanks im Interview über die umstrittene „Wetten, dass..?“-Show. Der „Cloud Atlas“-Star nahm’s professionell. Und kann es kaum erwarten, nach Berlin zurückzukehren.

und dann so beginnt:

SPIEGEL ONLINE: Mr. Hanks, wie war Ihr Samstagabend?

Hanks: Lassen Sie es mich in einem Satz zusammenfassen: Irgendwann stand ich mit einer lustigen Katzenmütze auf dem Kopf herum und sah zu, wie derModerator (Markus Lanz – d. Red.) in einem Sack um mich herum durch den Saal hüpft. Zwischendurch sagte der Übersetzer in meinem Ohr wörtlich nur noch „bla bla bla“. Er hatte aufgegeben, mir erklären zu wollen, welcher berühmte deutsche Komiker gerade welchen anderen berühmten deutschen Komiker imitiert.

und wenn man dann, nach – auf meinem Bildschirm – sechs Mal Scrollen das hier liest:

Das Interview führte Roland Huschke vor Tom Hanks‘ „Wetten, dass..?“-Auftritt. Für die aktuelle Ergänzung sprach Tom Westerholt mit dem Hollywood-Star.

dann fühlt man sich doch ziemlich verarscht, oder? (Sollte es wen intereressieren: hier der Link zum kompletten Interview.)

Was war los, SPIEGEL?

SPIEGEL vs Bild? Geil, denkt man sich, endlich zerlegt mal einer den Diekmann, denkt man sich, und krempelt vor der Lektüre des aktuellen Interviews innerlich die Ärmel hoch – und dann das: ein Dokument des Scheiterns.
Diekmann hat die besseren Argumente, die besseren Sätze, die besseren Wörter. Hat sich gut vorbereitet, hat das klitzekleines bisschen an Recherche, welches die Magazinis sich gegönnt haben, locker-flockig ausgekontert – ein Bild des Jammers, das der SPIEGEL da abgibt. Klarer Fall von Überheblichkeit, Deutschland-Malta 1:4.
Liebe Mädels und Jungs vom SPIEGEL, was war bloß los!?!?

Was war los, ZEIT-Magazin?

Die Schauspielerin Anne Tismer sei, verkündet das Zeit-Magazin im Editorial, eine Frau, die mit Punkten rede, aber ohne Kommas. Deshalb druckt das Heft das Interview mit ihr aus der Reihe „Das war meine Rettung“ in Klein-Groß-Schreibung, mit Punkten und Fragezeichen – aber eben ohne Kommas.

Bin mal gespannt, was dem nächsten einfällt: in ntrviw ganz ohn „“s zum Bspil, oder en ntervew ohne „“s.

Da habt Ihr bestimmt noch viele li-la-lustige Ideen auf Lager, Zeit, oder?

Was war los, SÜDDEUTSCHE?

An guten Tagen, und diese Serie hat viele gute Tage, geht es bei „Reden wir über Geld“ lustig und interessant und offen und frech zu.

An schlechten Tagen führt Andreas Oldag ein dermaßen braves, lahmarschiges Kuschel-Interview mit dem Sotheby’s-Chefauktionator Tobias Meyer, dass einem die Füße einschlafen:

http://www.sueddeutsche.de/finanzen/1/511112/text/

Was bedeutet Geld für Sie?

Wie sind Sie ins Auktionsgeschäft hinein gekommen?

Wie startete ihre berufliche Karriere?

Sie gelten mittlerweile wegen ihrer Abgeklärtheit als „Mr. Sotheby’s 007“.

So wird hier „gefragt“. Unterwürfige Stichwortgeberei, und die auch noch hölzern formuliert.

Was war los, SÜDDEUTSCHE?

Vier Seiten Kubicki – Was war los, ZEIT?

Mein Leben war bisher irgendwie unrund, unerfüllt, irgendwas fehlte. Bis ich jetzt erst merkte, was es war: ein vierseitiges Interview mit Wolfgang Kubicki.

Jetzt endlich hat die Zeit den Mut und die Eier und den Platz gehabt, das Ding zu wuppen. Inklusive einem Foto, auf dem sich Kubicki sein weißes Hemd zuknöpft. Toll, toll, toll!

Mein Leben hat jetzt wieder einen Sinn!

Willi Winkler wahnsinnig wütend wegen Wortlaut-Interview – warum?

Der – überaus geschätzte – Kollege Willi Winkler motzt in der heutigen SZ („Jede Illustrierte würde sich darum reißen“, SZ, 23.11., S. 3). Soll er ruhig!

Er motzt gegen eine PR-Agentur, die im Auftrag Tom Buhrows arbeitet. Soll er auch ruhig!

Er motzt aber, weil die PR-Agentur ihm kein Porträttreffen mit Claus Kleber und Tom Buhrow ermöglichen mag. Sondern „nur“ ein Treffen zur Erstellung eines Wortlaut-Interviews. Er begründet das so:

Und was heißt „Wortlaut-Interview“? Das heißt, dass keine Eindrücke des Autors einfließen, dass also eine kritische Würdigung in Form eines Portraits nicht gewünscht ist. Sondern ausschließlich ein Interview mit Fragen und Antworten. So hätten sie es gerne in der Zeitung.

Hähhhh?

Der Kollege, pardon: der überaus geschätzte Kollege will mit der blauen Schaufel spielen, kriegt aber die rote und ist deshalb beleidigt, weil man nur mit der blauen Schaufel wirklich spielen kann.

Da würd ich jetzt mal sagen: Was war los, Süddeutsche?

Was war los, Bergundsteigen?

„Auf deiner Visitenkarte von Christophorus Flugrettungsverein wirst Du als „Ground Operator“ bezeichnet. Was macht dieser Verein, was darf man sich unter dieser Tätigkeit vorstellen und wann und wie bist Du zum Flugrettungsdienst gekommen?“

und dann:

„Kommt es vor, dass ihr als Flugretter bzw. die Helikopterbesatzung einen Einsatz ablehnt? Wie ist deine persönliche Haltung zum Thema „Retten um jeden Preis“ und wie thematisiert ihr diese Problematik in der Ausbildung?“

und später:

„Wie werde ich in Österreich Flugretter – wie lange dauert die Ausbildung, welche Anforderungen müssen erfüllt werden? Existieren bei den Ausbildungsinhalten gravierende Unterschiede zu anderen Alpenländern?“ (Gespräch mit Joe Redolfi, bergundsteigen 3/09, http://www.bergundsteigen.at)

Drei, vier verschiedene, aber nun wirklich völlig verschiedene Fragen in einer – was soll man darauf nur antworten???

Was also war los, Bergundsteigen?

Was war los, Süddeutsche?

Das Kuschel-Interview (http://www.sueddeutsche.de/kultur/231/490605/text/) mit dem abgesägten Generalmusikdirektor Christian Thielemann in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung hat Joachim Kaiser geführt.

Darin stehen „Fragen“ wie: „Aber die Konzerte waren doch dann zum Teil sehr schön.“ Im Vorspanntext heißt es, Kaiser sei „der einzige Partner, mit dem er [Thielemann] überhaupt noch reden wollte“.

Die zwei Neben-Musikpäpste der SZ, die in der Berichterstattung zu Thielemann auch die eine oder andere kritische Bemerkung aufzuwerfen wagten, waren dem Herrn Dirigenten also nicht genehm als Interviewpartner. Die SZ lässt sich das gefallen und schreibt es auch noch auf.

Was war los, Süddeutsche?

Was war los, Lettre International? Interview Thilo Sarrazin

Wen Google hierhergeschickt hat, damit er das komplette Interview lesen könne, das Lettre International mit Thilo Sarrazin geführt hat – den schicke ich weiter an den Kiosk: Ladentheke, Bargeld, Printprodukte, Analog-Welt – die Nummer.

Krawallig genug liest sich schon der Teil, der online steht (http://www.lettre.de/aktuell/86-Sarrazin.html). Erstaunlich, angesichts solcher lahmer Mehrfachfrage-Raketen, die die Kollegen da abgefeuert haben:

„Wie würden Sie die Etappen der Entwicklung Berlins seit 1989 beschreiben, die Meilensteine der Entwicklung? Sie sagten im Jahre 2006, der Schutt sei abgeräumt, man sei nicht mehr im Jahre 1945, sondern schon im Jahre 1947 angekommen. Wo befindet sich Berlin heute?“

Was genau, lieber Herrschaften Interviewenden, wollten Sie noch mal wissen?

So kann sich der Befragte schön raussuchen, was aus dem Fragemenü ihm passt und was er mit einer Antwort zu beehren gedenkt – und was nicht.

Was also war los, Lettre International?

Was war los, TAGESSPIEGEL?

Kann man ein Interview langweiliger überschreiben als so:

„Ich erwarte, dass die Länder sich ihrer Verantwortung stellen“ (http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/Schweinegrippe-Ulla-Schmidt;art122,2893375)

Kann man dem Leser auf irgendeine Art deutlicher signalisieren: Wir haben hier nix Interessantes für Dich! Bitte blättere weiter! Geht es noch dröger?

Ich glaube nicht. Ich wüsst nicht wie. Echt keine Ahnung.

Was also war los, Tagesspiegel?

Was war los, SÜDDEUTSCHE?

„Wie viele Millionen Euro haben Sie für den Stellenabbau an Rückstellungen gebildet?“

und dann

„Sie haben die Zahl der Leiharbeiter verringert. Um wieviel?“

und dann

„In welchen Bereichen werden Leiharbeiter bei Wacker beschäftigt?“

Solche Fragen – in einem Wort zu beantworten und dann auch noch gerne hölzern formuliert – fragt das Interview mit dem Wacker-Chemie-Personalvorstand Wilhelm Sittenthalter auf den Wirtschaftsseiten der SZ vom 10.7.

Schön für die Reporterin, dass sie sich die Mühe sparen konnte, aus dem Recherchegespräch einen vernünftigen Text schreiben zu müssen.

Schade für den Leser, dass er sowas Langweiliges vorgesetzt bekommt.

Was war los, Süddeutsche Zeitung?

Was war los, FOCUS?

Wikipedia-Wissen (okokok, das steht in dem Fall nicht bei Wikipedia, aber dafür sicher im Munzinger) im Interview abzufragen, und dann auch noch falsch informiert? Peinlich, respektlos gegenüber dem Interviewten, also no go, nicht machen, pfui, bäh!

Focus: Herr Kagermann, Sie haben drei Töchter…

Kagermann: … zwei, einen Sohn.

… und dann, eine halbe Frage später:

Kagermann: … Ich bin ja ohne Vater aufgewachsen…

Focus: Er starb, als Sie sieben waren.

Kagermann: Nein, viel früher….

This goes not! Was war los, Focus?

(„Die verfolgen Sie auch nachts“, Interview mit Henning Kagermann, Focus 24/2009)

Was war los, SPIEGEL?

SPIEGEL: Sie ecken gern an?

SPIEGEL: Sehen Sie die Kirche in der aktuellen Wirtschaftskrise besonders gefordert, laut ihre Stimme zu erheben?

SPIEGEL: Wenn heute nach Erklärungen für die Krise gesucht wird, ist viel von den Finanzinstrumenten die Rede, die das System an den Rand des Kollaps geführt haben. Kommt ein Mann der Kirche, der noch über Kategorien wie Gut und Böse oder Sünde verfügt, zu einer anderen Analyse als wir Kinder der Aufklärung?

Mit solchen Luschenfragen komplett ohne Haltung, gänzlich rückgratfrei, setzt sich der SPIEGEL Bischof Walter Mixa auf den Schoß – eine Schande für das Blatt.

Was war los?

(„Da beginnt für mich die Hölle“, Walter Mixa im Gespräch mit dem Spiegel, 23/2009, nicht online abrufbar – macht aber wirklich gar nix…)