Archiv der Kategorie: Tipps/Tricks/Handwerkszeug

Fragen für jedermann, äh: -frau, respektive – keineN

Die Berg bei SPON ziemlich schlau und witzig über Interviewklischees.

Wen fragen – und wen nicht!?

… dazu habe ich mich dieser Tage auf „www.fachjournalist.de“ geäußert:

http://www.fachjournalist.de/wen-fragen-und-wen-nicht-5-tipps-zur-auswahl-von-interviewpartnern/

„Jedes Kasperltheater ist erlaubt“ – Uslar über Interviews

„Jedes Kasperltheater ist erlaubt – sofern es der Vertrauensbildung dient.“ Und noch weitere zirka 999 Thesen über die Kunst des Interviews von Moritz von Uslar:

Rösler-Interview mal anders – ohne Rösler

Interview mit Rösler, Rösler zickt – dann halt ohne Rösler. Bravo! http://blogs.taz.de/hausblog/2013/09/09/philipp-roesler-fragen-und-keine-antworten/

Von Autopilot bis Walzer tanzen – das A bis Z des Interviews

Interview-Werkstatt

Das A bis Z des Interviews

Fragen kostet nicht viel: Nicht viel Zeit, nicht viel Mühe, nicht viel Vorbereitung. Glauben die meisten. Und schicken die Praktikantin oder den Volontär mal eben los, um ein Interview zu führen. Für diejenigen aber, die das Interview begreifen als das, was es eigentlich ist, nämlich die schwierigste, bei den Lesern beliebteste und am meisten unterschätzte journalistische Textform, gibt es hier einige Hinweise zur Kunst des Fragens.

Autopilot

Wer seinem Gesprächspartner zum Interview mit harmlosen, banalen und auch noch schlecht formulierten Kuschelfragen gegenübersitzt, der bekommt ein Interview per Autopilot serviert: die immer gleichen Dinge in den immer gleichen Worten formuliert, in der immer gleichen Tonlage. Das ist bequem für den Interviewer und den Interviewten, denn der Aufwand für die Vorbereitung und für das Führen des Gesprächs ist gleich null. Bequem ist ein Autopilot-Interview auch für den Leser – dann kann er schnell weiterblättern, ohne etwas verpasst zu haben.

Blablabla-Fragen

„Wissen Sie auf Anhieb, wo bei Ihnen der Weihnachtsbaumständer steht?“, hat Moritz von Uslar Harald Schmidt einst gefragt. Ein gutes Beispiel für eine Blablabla-Frage. Fragen, auf die eigentlich jeder etwas antworten kann, die vermeintlich harmlos daherkommen – aber doch einiges über den Interviewten verraten können. Zum Beispiel: „Was haben Sie zuletzt gegoogelt?“ Oder „Was waren Ihre letzten drei Einkäufe mit Kreditkarte?“.

Chat-Interviews

bleiben lassen. Dasselbe gilt in aller Regel für E-Mail-Interviews. Denn man weiß nie: Beantwortet wirklich der Befragte unsere Fragen – oder sein Pressesprecher, seine Putzfrau oder sein Hund? Das „Inter“ eines echten Interviews fehlt.

Duzen

Und wenn die Heike (Makatsch) noch so nett ist, sich der Mario (Gomez) noch so easy gibt, die Judith (Holofernes) noch so kumpelhaft daherkommt: Das Interview ist eine künstliche Situation. Und eine professionelle. Wir fragen im Auftrag von Hunderttausenden oder Millionen Lesern, Zuhörern, Zuschauern. Da ist ein professionell-distanziertes „Sie“ besser als ein vermeintlich kumpelhaftes „du“.

Eben mal so

sollte man Fenster putzen, Kaffee kochen oder jemanden in der Bar anquatschen. Aber kein Interview führen. Wer sich vorbereitet auf einen Gesprächspartner, wer sich mit seinem Leben, seinem Metier, seinen größten Leistungen und schlimmsten Niederlagen, seinen Freunden und seinen Feinden beschäftigt, wer sich seine Fragen überlegt und sie – zumindest teilweise – schon mal formuliert, wer kurzum das Interview genauso ernst nimmt wie eine große Reportage, einen Essay oder eine Dokumentation, der holt für den Leser viel, viel mehr raus als ein Mal-schauen-was-die-Situation-so-bringt-Frager.

Fremdspracheninterviews

klingen häufig gestelzt und behäbig, wenn sie ins Deutsche übersetzt werden. Das Gespräch sollte deshalb lieber übertragen als wortwörtlich übersetzt werden. Ein Beispiel für ein sehr unterhaltsames, sehr lebendig klingendes Wissenschaftler-(!)Interview ist das Gespräch mit dem Lügenexperten Paul Ekman auf sueddeutsche.de.

Geschlossene Fragen

sind nicht immer gleich Bäh-Fragen. Sie können einen Gesprächspartner dazu zwingen, Farbe zu bekennen oder können ihn, wenn er zum Schwafeln neigt, einbremsen. Zu oft eingesetzt, klingen sie allerdings schnell nach Verhör.

Hintertürfragen

Angenommen, die PR-Menschen haben uns verboten, in unserem Robbie-Williams-Interview nach den jüngsten Trennungsgerüchten zu fragen. Dann können wir es immer noch über die Hintertür probieren, indem wir etwa fragen: „Wie denken Sie eigentlich über die große Liebe?“ Und bekommen vielleicht die Antwort, das Zitat, das wir durch die Vordertür nie bekommen hätten.

Interesse

hilft beim Führen von Interviews ungemein. Echtes sogar noch mehr als geheucheltes. (Nur Peter Sloterdijk sieht das anders: Für ihn ist das Interview ein „Spiel mit falschem Interesse“. Aber Sloterdijk muss das sagen, er ist schließlich Philosoph.)

Kuschelfragen

sind in homöopathischer Verabreichung erlaubt. Überdosiert machen sie jedes Interview langweilig, so dass der Gesprächspartner auf Autopilot umschalten kann.

Lacht. Lacht laut. Lacht noch lauter.

Manche Interviews sind voll von solchen Regieanweisungen, die vermeintlich die Atmosphäre des Gesprächs transportieren. Aber ein gutes Interview kommt ohne solche Verständniskrücken aus und läuft auf eigenen Beinen. Ein gutes Interview lässt zwischen den Zeilen spüren und hören, wann es im Gespräch witzig (lacht laut) und wann es ernst (denkt lange nach) zuging.

Mund halten

ist das, was dem Fragensteller häufig am schwersten fällt – und häufig am meisten bringt, wenn es denn einmal gelingt.

Nachfragen

ist eine der drei Hauptaufgaben eines guten Interviewers. Die beiden anderen: Nachfragen und Nachfragen. Also: Habe ich eine Antwort bekommen auf meine Frage? Ist diese Antwort eine wirkliche Antwort oder weicht sie aus? Ist die Antwort verständlich, mir und dem Publikum? Im Zweifelsfall – nachfragen.

Opfer und Täter

Der Dokumentarfilmer Georg Stefan Troller beschreibt in einem sehr lesenswerten Aufsatz (Lettre International, Nr. 82) das Interview als „Begegnung zweier Menschen im Wort“:

„Der eine ist, wenn Sie so wollen, der ,Täter‘, der andere das ,Opfer‘. Aufgabe des Täters ist, seinem Gegenüber möglichst wahre, auch überraschende, verräterische Auskünfte über sich zu entlocken. Anliegen des Opfers wird es zumeist sein, nur solche Geständnisse herzugeben, die es selbst an die Öffentlichkeit tragen möchte. Es findet hier also eine Art Wettkampf oder Wettbewerb statt, unter dem Deckmantel eines vorgetäuschten Spiels. Das Interview als Herausforderung, als Provokation für beide Teile, darauf wird es im Idealfall hinauslaufen.“

PR-Menschen

sind dazu da, Filmstars, Fußballspieler oder FDP-Vorsitzende im Interview in das bestmögliche Licht zu setzen. Dafür werden sie bezahlt. Interviewer sind dazu da, Filmstars, Fußballspielern oder FDP-Vorsitzenden im Interview am Lack zu kratzen. Dafür werden sie bezahlt.

Quantenphysikerinnen, Quasarentdecker und Quinoa-Anbau-Experten

– Menschen also, die ein hochspezialisiertes Fachwissen haben und sich darüber in aller Regel in wenig massenverständlichem Expertensprech ausdrücken – sind selten gute Interviewpartner. Da ist ein durchgeschriebener Bericht oder ein „10 Fakten über …“ meist die leserfreundlichere und damit bessere Lösung als das Wortlautinterview.

Redigiert

werden sollte eine Interviewabschrift wie ein guter Text: ein spannender, überraschender Einstieg, der auch den größten Reinhold-Messner-Skeptiker, Angela-Merkel-Hasser oder Dieter-Bohlen-Verachter fesselt und dazu zwingt, das Messner/Merkel/Bohlen-Interview eben doch zu lesen. Dann sollte, wie in einer Mozart-Symphonie, immer wieder abgewechselt werden – zwischen zart und krawallig, laut und leise, ernst und heiter, reflektierend und anekdotisch. Ein gutes Interview endet nicht abrupt, plätschert aber auch nicht absatzweise lang aus.

Sesamstraßenfragen

Wer? Wie? Was? – Wieso? Weshalb? Warum? – Besser geht es nicht. Bisweilen halten Interviewer Koreferate, um dem Interviewten zu zeigen, dass sie auch nicht ganz dumm sind und eigentlich mehr aus ihnen hätte werden können als nur Journalist. Aber die bescheidenen, knackig-kurzen Fragen sind meistens die besten. Die Sesamstraßenfragen eben.

Transkribieren

Der Einsatz von „Abtippsklaven“ spart Zeit und kostet Geld. Moritz von Uslar, der für das SZ-Magazin jahrelang die „100 Fragen an …“ gestellt hat, rät zum Selbstabhören: „Nur beim Hören wird das Gesprochene nochmals mit Inhalt gefüllt, denn die Eins-zu-eins-Abschrift des Gesagten ist auch nicht die Wahrheit. Nur beim Abhören kann ich spüren, in welche Richtung mein Gesprächspartner wollte, nur so kann ich den O-Ton so zuspitzen, knapper machen, weicher machen, härter machen, dass mir das Interview später auch autorisiert wird.“

Umgeschrieben

werden Interviews gerne von den PR-Menschen. Sie nutzen die Autorisierung dazu, aus dem, was gefragt und gesagt wurde, das zu machen, von dem sie gerne hätten, dass es gefragt und gesagt worden wäre. Dies alles immer im vermeintlichen Interesse des Interviewten – häufig aber vor allem im Interesse des PR-Menschen selbst, der in der Autorisierungsphase unter Beweis stellt, wie unverzichtbar seine Dienste für den Interviewten doch sind. Mögliche Gegenstrategien: beharren („Aber so wurde es doch gesagt, ich hab‘s doch so auf Band“), feilschen („Sie geben mir dieses Zitat, ich streiche dafür jenes“) oder drohen („Ach wissen Sie, dann ist das Interview nicht mehr so interessant für uns. Wir werden es kleiner machen oder ein Porträt draus stricken. Ich schicke Ihnen dann das Heft, wenn’s erschienen ist).“ Wer hier als Journalist zu schnell einknickt, vermiest sich die eigene Arbeit, nimmt dem Leser potenzielles Lesevergnügen und macht dem nächsten Interviewer die Arbeit noch schwerer. Mehr zum Thema

Verzichten

sollten wir auf die Veröffentlichung oder Ausstrahlung von Interviews, wenn: der Gesprächspartner zu „durch“ ist; beim Durchlesen der Abschrift klar wird, dass nur PR-Blabla abgesondert wurde; sich der PR-Mensch beim Autorisierungsgeschacher zu sehr aufmandelt; die Zeit über den (einstmals) aktuellen Anlass des Interviews hinweggegangen ist.

Walzer tanzen

„Mir macht Interviewtwerden genauso wenig aus wie Walzer zu tanzen – das heißt, meine Antworten hängen von der Energie und Anmut und Einstellung und Intelligenz des Gegenübers ab. Manche tanzen gut, manche tollpatschig, manche treten dir unabsichtlich auf die Füße – und manche absichtlich.“ Margaret Atwood, kanadische Schriftstellerin.

erschienen auf www.journalist.de

Ab heute wird zurückgesiezt – Günther Jauch über das „Du“

Er hat ja sooooo recht, der Jauch:

Stern: Niemand im deutschen Fernsehen siezt so hartnäckig wie Sie.

Jauch: Für mich gilt der Grundsatz: Im Fernsehen duze ich nur Thomas Gottschalk und kleine Kinder. Kann sogar passieren, dass mich Leute im Fernsehen duzen, die ich auch privat duze – dann sieze ich sie eben. Ich möchte dem Zuschauer auch nicht erklären, dass ich mit jemandem ausnahmsweise per Du bin, weil wir im Vorjahr beim Wiener Opernball am selben Tisch saßen. Wobei ich noch nie beim Wiener Opernball war.
Stern: Angst vor Nähe?
Jauch: Wenn Sie jeden zu schnell duzen, berauben Sie sich vieler Differenzierungsmöglichkeiten. Es ist ebenso praktisch wie angenehm, wenn man beim Sie bleiben kann. Das Du ist ein privater Vertrauensbeweis, es bedeutet etwas. Als wir hier in der Firma begannen, waren alle per Du, auch mit dem damaligen Chef. Als ich ans Ruder kam, habe ich alle neuen Angestellten chronisch gesiezt. Stört keinen.

(„Es ist sehr lange sehr gut gegangen“, Alexander Kühn im Interview mit Günther Jauch, stern, 31.3.2010)

Nix mit „Inter“: Interviews per E-Mail

Drei Tram-Unfälle innerhalb weniger Wochen – klar, da kann man schon ein Interview machen mit Chef der örtlichen Verkehrsbetriebe.

Ka-news.de aus Karlsruhe hat das gemacht. Leider hatte aber der gute Herr Lorenz nur Lust auf oder Zeit für ein E-Mail-Interview. Das Ergebnis ist hier zu besichtigen:

http://www.ka-news.de/region/karlsruhe/Interview-zu-StraBa-Unfaellen-Versuchen-unsere-Fahrer-zu-entlasten;art6066,343374

Für mich mal wieder ein Beweis: „Interviews“ per E-Mail bringen gar nix.

Warum wollen Interviewpartner überhaupt per E-Mail „befragt“ werden? Sie können die Anfrage dann beantworten, wann es ihnen gerade passt. Sie müssen nicht spontan sein, sondern können alles gut abstimmen, mit dem Pressefuzzi, mit dem zuständigen Sachbearbeiter des zuständigen Referats und mit dem halbzuständigen Sachbearbeiter eines anderen halbzuständigen Referats. Alles findet schriftlich statt, man hat alles schwarz auf weiß und muss nicht fürchten, dass die Journalisten einem das Wort im Mund umdrehen.

Die Nachteile aus Sicht der Redaktion und damit des Lesers: Nachfragen is nich. Der Text wird meistens eine Ansammlung von Platitüden und Leerfloskeln. Und ob überhaupt der zu Befragende die Fragen beantwortet hat, oder ob es am Ende sein Chef, Pressesprecher, seine Putzfrau oder sein Wellensittich war – who knows? So kann vom „Inter“ des „Interviews“ keine Rede sein.

Obiger Text belegt all das: Hölzernes Behördenblabla, das den wirklich interessanten Fragen ausweicht. Die Kollegen können nix dafür, sie haben sich ja bemüht. Aber wenn dieses E-Mail-„Interview“ nicht stattgefunden hätte – die Welt wäre keine schlechtere.

Interviews auf Krücken

(lacht)

(lacht laut)

(lacht noch lauter)

Manche Kolleginnen und Kollegen pflastern damit ihre Interviews. Warum machen die das?

Ein gutes Interview lebt davon, dass es Ansichten, Meinungen, Anekdoten eines Gesprächspartners wiedergibt. Und zwar in der Sprache des Interviewten, samt Wiederholungen, Redundanzen, mundartlichen Besonderheiten und so weiter.

Die meisten dieser Regieanweisungen sind deshalb überflüssig und banal.

Überflüssig, weil sie dem dem Leser vorgeben, was er jetzt vor seinem inneren Ohr zu hören (lacht) oder vor seinem inneren Auge zu sehen hat (gestikuliert mit den Händen). Verzweifelte Versuche, etwas sicht- oder hörbar zu machen, das doch eigentlich der Interviewtext selbst abbilden müsste. Und wenn es der Text nicht schafft, diese Assoziationen auszulösen, dann sind die Regieanweisungen ein billiger Ersatz.

Banal, weil sie fast nie etwas wirklich Interessantes, Unsagbares, oder genauer: durch geschriebene Rede Unsagbares transportieren. Ein Beispiel:

ZEIT: (…) Darin sagt Jeanne Moreau den Satz. [sic!] „Im Gefängnis werde ich alt und hässlich sein …

ALMODOVÁR: (fällt ins Wort) … aber auf diesen Fotos werden wir immer jung und schön sein.“

(„Eine Art Gott“, Zeit Nr 33/2009)

Ja, natürlich fällt er ins Wort, deshalb ja die drei Auslassungspunkte! Mit dieser Betonung wird es mir einfach zu viel, zu betont.

Ich muss da immer an die vielen journalistischen Porträts von Größen aus Wirtschaft oder Politik denken, wo immer mit der Handkante durch die Luft oder auf den Tisch gefahren wird.

Also: Regieanweisungen sind Krücken. Und ein gutes Interview kommt ohne Krücken aus und läuft stattdessen auf eigenen Beinen.

Ende der Durchsage.

Experteninterviews – aber richtig

Schon einige Monate alt, aber jetzt bin ich mal wieder drüber gestolpert: ein sensationell gutes Experten-Interview aus SZ-Wissen:

Fängt witzig an. Geht unterhaltsam weiter.

Und das Ganze klingt auch noch erstens so was von gesprochen. Und ist zweitens dermaßen gut ins Deutsche – eben nicht übersetzt, sondern übertragen, dass man es besser eigentlich nicht machen kann. Finde ich.

Viel Spaß beim Lesen!

http://www.sueddeutsche.de/wissen/190/455863/text/print.html

Was war los, Bergundsteigen?

„Auf deiner Visitenkarte von Christophorus Flugrettungsverein wirst Du als „Ground Operator“ bezeichnet. Was macht dieser Verein, was darf man sich unter dieser Tätigkeit vorstellen und wann und wie bist Du zum Flugrettungsdienst gekommen?“

und dann:

„Kommt es vor, dass ihr als Flugretter bzw. die Helikopterbesatzung einen Einsatz ablehnt? Wie ist deine persönliche Haltung zum Thema „Retten um jeden Preis“ und wie thematisiert ihr diese Problematik in der Ausbildung?“

und später:

„Wie werde ich in Österreich Flugretter – wie lange dauert die Ausbildung, welche Anforderungen müssen erfüllt werden? Existieren bei den Ausbildungsinhalten gravierende Unterschiede zu anderen Alpenländern?“ (Gespräch mit Joe Redolfi, bergundsteigen 3/09, http://www.bergundsteigen.at)

Drei, vier verschiedene, aber nun wirklich völlig verschiedene Fragen in einer – was soll man darauf nur antworten???

Was also war los, Bergundsteigen?

Zur Schwierigkeit des kollektiven Fragens

In Gala Men, der neuen Fachzeitschrift für das korrekte Auftragen von Augencreme, steht zwischen einer Beyoncé-Geschichte und einem Text über 6000 Euro-Schuhe, ein – so nennen sie es – „Männergespräch“. Fünf Männer – oder wie sie schreiben: „5 Männer“ – reden darüber, wie (m)Man(n) heute einen Kaffee bestellt, Tierkosenamen-Beziehungen führt und Augen-lassen-Eisberg-vor-Titanic-schmelzen-Anmachsprüche an die Frau bringt. Die ganz großen Dinge eben.

Auf den Inhalt will ich gar nicht weiter eingehen. Damit ich bei Google besser gefunden werden, schreibe ich nur noch schnell rein, dass hier Til Schweiger, Til Schweiger, Til Schweiger, Christian Ulmen, Christian Ulmen, Christian Ulmen, Wotan Wilke Möhring, Wotan Wilke Möhring, Wotan Wilke Möhring und – ach, die kennt eh keiner – interviewt werden.

Anmerken will ich nur: Gruppeninterviews führen – sauschwer. Man will ja einerseits alle Gesprächspartner halbwegs gleich oft vorkommen lassen, andererseits: Was, wenn einer nur Müll redet und ein anderer eine Schote nach der anderen raushaut? Schon gehabt!

Richtig toll wird ein Interview mit mehreren Interviewten, wenn in der Druckfassung jeder in seiner eigenen Sprache sprechen darf, wenn sich also beim Lesen unterschiedliche Figuren herausschälen. Auch das – sauschwer.

Mein Tipp: Nur ganz wenige Themen ansprechen und dann lieber nochmal hierzu bei Person X nachfragen und nochmal dazu Person Y Stellung nehmen lassen. Wird besser, als im Schweinsgalopp etliche Bereiche abzuhecheln.

Ach so: Das Ganze gibt’s am Kiosk für 5 Euro. Das sind drei Espressi in der Burda-Bar. Sechs Tafeln Milka Noisette. 50 Saure Zungen. Oder eben eine Gala Men.

Autorisierte Leitartikel

ZEIT: Ist Theatermachen für Sie also auch Spielen gegen den Tod?

ZADEK: Wahrscheinlich. Weiß ich nicht. Aber wahrscheinlich ja.

(„Shakespeare hätte mich nicht verstanden“, Zeit 33/2009, S. 43)

Ich hasse solche „Fragen“: Da hat sich der Journalist daheim am Schreibtisch eine schicke, steile These zurechtgebastelt und will sie dem Interviewpartner unterjubeln, damit man dann über das Interview drüberschreiben kann: „Theatermachen heißt für mich gegen den Tod Anspielen“. Oder so ähnlich. Dass der Andere mit dieser Frage – offensichtlich – gar nix anfangen kann – wurscht!

Ja, Leute, wenn Ihr Euch mehr für Eure eigenen Meinungen interessiert als für die Ansichten Eurer Gesprächspartner, dann schreibt halt Leitartikel oder Feuilleton-Aufsätze. Und macht keine Interviews!

Ende der Durchsage.

Vorgespannt

Ich finde ja: Ein gutes Interview beginnt mit einer guten Frage. Und geht mit einer guten Frage weiter.

Viele finden: Ein gutes Interview beginnt mit einem Vorspann.

Gut, meinetwegen, sollen sie ruhig, aber dann bitte nicht sowas:

02.02. 2009, Berlin. In einem Konferenzsaal im Sony Center am Potsdamer Platz absolviert der Regisseur Tom Tykwer wenige Tage vor der Berlinale, die mit seinem Thriller „The International“ eröffnet wird, einen strapaziösen Interviewmarathon. Klagen mag er darüber nicht, diese Arbeit sei doch Luxus, sagt er. Trotz leichter Ermüdungserscheinungen am Spätnachmittag kommen seine Antworten präzise und überlegt.

Damit sagt man: Lieber Leser, ich hab mich gelangweilt, der Interviewpartner hat mich gelangweilt – dann hast Du Dich gefälligst auch zu langweilen!

oder sowas:

04.03.2009, Köln. Keine Zettelwirtschaft, kaum Möbel: In Richard David Prechts Wohnung ist es für einen Mann des Wortes erstaunlich nüchtern und aufgeräumt. Auch Luxus sucht man bei dem Philosophen, Journalisten und Autor, der mit „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ den Sachbuch-Renner des letzten Jahres vorgelegt hat, vergebens. Immerhin, die Wohnküche dominiert ein ausladendes Aquarium mit durchaus skurrilen Bewohnern. „Elefantenrüsselfische“, klärt Precht auf und gießt heißes Wasser in eine Tasse mit Instant-Kaffee. „Ihr Gehirn ist im Verhältnis größer als das des Menschen.

Eine etwas billige Gleichung: Mann-des-Wortes-Wohnung=aufgeräumt=ungewöhnlich.

Wenn schon ein szenischer Einstieg, dann bitte echt überraschend, schräg, heiter, whatever, aber irgendwie besonders – so wie der hier:

16.03.2009, Berlin. T.C. Boyle – wie immer mit Wischmop-Frisur und roten Chucks – hat vor dem Fototermin noch einen raschen Streifzug durch die Umgebung unternommen. Gutgelaunt schwärmt er von „strange, special ducks“ und der heterogenen Architektur der Stadt. Das etwa einstündige Gespräch mit dem 60-jährigen US-Kultautor findet im Anschluss im leeren Speisesaal des Hotels statt. Da fühle er sich wohl, sagt Boyle, es sei „so schön sauber und aufgeräumt. Wie in meinem Wohnzimmer.

(alle aus Galore 48)

So fragt der PLAYBOY

Spielregeln für das PLAYBOY-Interview
Das Interview ist einer der prominentesten Text im Heft. Wir haben da einen Ruf zu verteidigen – und jenes Argument, mit dem schon Millionen von Männern gegenüber Millionen von Frauen den Kauf des Blattes rechtfertigen konnten.

Ein gutes PLAYBOY-Interview:
– erzählt Neues über den Befragten
– unterhält
– zeigt auch den Interviewer als Person mit Haut und Haaren und nicht nur als Mikrofon auf zwei Beinen
– lässt hören, wer da spricht
– MUSS jeder gelesen haben, der künftig ein Porträt/Interview über die zu befragende Person schreibt

– ist auch mal ein bisschen großmäulig, traut sich was, ist – zumindest passagenweise –eine Unverschämtheit
– beginnt so packend, so überraschend, dass auch der größte NiedekenMessnerDiegoLustigColaniKolleAkinRoche-Hasser nicht anders KANN als weiterzulesen
– gleitet von Thema zu Thema, ohne zu springen
– wechselt ab im Tempo (Ping-Pong vs. elegisch), Farbe (ernst vs. lustig), Stimmung (innig vs. konfrontativ)
– endet mit einem Knall, einer Pointe, einem Witz

Deshalb:
Beim Vorbereiten nicht absaufen im Detailwahn, den einem Lektüre etc. bescheren – Mut haben zu den dummen, einfachen, großen Fragen („Warum schreiben Menschen Bücher, Herr Meyer?“… „Wozu braucht man eigentlich den Fußball, Diego?“… „Warum geht der Mensch ins Kino, Herr Tykwer?“)
Fragen vorformulieren: Klar, knapp, kurz, offen
Wenn zu zweit: Rollenaufteilung planen – good cop/bad cop, strategisch/spontan, job/privat
Dramaturgie überlegen, vor allem: Einstieg
Dress up: Ab Sakko aufwärts beweist man Respekt gegenüber dem Gesprächspartner – und vertritt das Blatt würdig
Richtige Balance finden zwischen Unterbrechen und Nachhaken einerseits und den peinlichen Stille-Momenten, in denen die Leute noch was nachsprudeln, andererseits
Und noch mal: Frechheit siegt!

Danach:
Überlegen: Was ist der Titel? Was der Einstieg, was der Abschluss, was das Agenturzitat?
Transkript markern und Text komplett neu schreiben! Wird flüssiger, runder und schöner als aus dem Transkript zusammengekürzt!
Besser nicht zum 134.265. Mal mit dem Tod enden…

cth, 1/2009