Ich finde ja: Ein gutes Interview beginnt mit einer guten Frage. Und geht mit einer guten Frage weiter.
Viele finden: Ein gutes Interview beginnt mit einem Vorspann.
Gut, meinetwegen, sollen sie ruhig, aber dann bitte nicht sowas:
02.02. 2009, Berlin. In einem Konferenzsaal im Sony Center am Potsdamer Platz absolviert der Regisseur Tom Tykwer wenige Tage vor der Berlinale, die mit seinem Thriller „The International“ eröffnet wird, einen strapaziösen Interviewmarathon. Klagen mag er darüber nicht, diese Arbeit sei doch Luxus, sagt er. Trotz leichter Ermüdungserscheinungen am Spätnachmittag kommen seine Antworten präzise und überlegt.
Damit sagt man: Lieber Leser, ich hab mich gelangweilt, der Interviewpartner hat mich gelangweilt – dann hast Du Dich gefälligst auch zu langweilen!
oder sowas:
04.03.2009, Köln. Keine Zettelwirtschaft, kaum Möbel: In Richard David Prechts Wohnung ist es für einen Mann des Wortes erstaunlich nüchtern und aufgeräumt. Auch Luxus sucht man bei dem Philosophen, Journalisten und Autor, der mit „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ den Sachbuch-Renner des letzten Jahres vorgelegt hat, vergebens. Immerhin, die Wohnküche dominiert ein ausladendes Aquarium mit durchaus skurrilen Bewohnern. „Elefantenrüsselfische“, klärt Precht auf und gießt heißes Wasser in eine Tasse mit Instant-Kaffee. „Ihr Gehirn ist im Verhältnis größer als das des Menschen.
Eine etwas billige Gleichung: Mann-des-Wortes-Wohnung=aufgeräumt=ungewöhnlich.
Wenn schon ein szenischer Einstieg, dann bitte echt überraschend, schräg, heiter, whatever, aber irgendwie besonders – so wie der hier:
16.03.2009, Berlin. T.C. Boyle – wie immer mit Wischmop-Frisur und roten Chucks – hat vor dem Fototermin noch einen raschen Streifzug durch die Umgebung unternommen. Gutgelaunt schwärmt er von „strange, special ducks“ und der heterogenen Architektur der Stadt. Das etwa einstündige Gespräch mit dem 60-jährigen US-Kultautor findet im Anschluss im leeren Speisesaal des Hotels statt. Da fühle er sich wohl, sagt Boyle, es sei „so schön sauber und aufgeräumt. Wie in meinem Wohnzimmer.
(alle aus Galore 48)