Preisfrage: Die Autorisierung von Interviews, also deren Vorlage beim Interviewten vor Abdruck, ist in Deutschland gesetzlich geregelt
a) im Pressekodex
b) im Grundgesetz
c) das ist höher aufgehängt, das regelt die Nato
d) im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2705), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 11. August 2009 (BGBl. I S. 2723) geändert worden ist
e) nirgends?
Bingo, e) ist richtig. Aber die schärfsten Gesetze sind manchmal die ungeschriebenen. Und so ist die Autorisierung in Deutschland, und zwar so gut wie ausschließlich in Deutschland, so üblich geworden wie, äh – naja, üblich halt.
Für PR-Menschen, die dafür bezahlt werden, aus dem Gesagten und Gefragten das zu machen, von dem sie gerne hätten, dass es gesagt und gefragt worden wäre, ist die Autorisierung total super. Für Interviewer, die dafür bezahlt werden, auch mal am Lack zu kratzen, auch mal einen Blick hinter die Kulissen einer Person zu erhaschen, ist die Autorisierung die Pest. Und für das Publikum auch.
Eingeführt hat die Autorisierung übrigens einst der Spiegel, Ex-Spiegel-Justiziarin Dorothee Bölke begründet das so:
„Interviews müssen in der Regel gekürzt und redigiert werden… Durch Flüchtigkeit könnte es zu einer Persönlichkeitsverletzung des Gesprächspartners kommen, weil man seine Aussagen nicht korrekt wiedergegeben hat. Eine Autorisierung schützt die Redaktion also auch vor Fehlern… Zu bedenken ist auch, dass ein Gesprächspartner seiner Rede und seinen Gedanken freieren Lauf lässt, wenn er sich nicht unter dem Zwang fühlt, gleich „druckreif“ sprechen zu müssen. Das fördert vielleicht sogar – zu Freude des Journalisten – bessere Informationen zutage…“
(Dorothee Bölke: Presserecht für Journalisten. München 2005)
Nun ja.Meine Erfahrung ist eine andere: Die Autorisierung wird dazu benutzt, das Gespräch so hin- und herzubiegen, wie es den PR-Menschen halt gerade so passt. Aber Interviewer sollten nicht ohne Muh und Mäh sämtliche Änderungswünsche akzeptieren, sondern die Autorisierung als einen sportlichen Verhandlungsprozess begreifen. Wer da zu leicht einknickt, nimmt dem Leser die Chance auf möglicherweise interessante Zitate. Mögliche Gegenstrategien fürs Schachern:
– Word-Dokumente laden zum Herumdoktern ein, deshalb lieber pdfs oder Faxe der Abschrift schicken
– Argumentieren mit Authentizität: „Aber so genau ist es doch gesagt worden, ich hab’s doch so auf Band“
– Notfalls drohen: Eskalierbar von „Dann machen wirs kleiner“ über „Dann bringen wirs gar nicht“ bis hin zu „Dann machen wir ein Porträt draus mit indirekten Zitaten“ (persönlichkeitsrechtlich allerdings ziemlich risky!)
– Absolutes NoNoNo: Fragen verändern lassen; Überschriften, Bildunterschriften, Anlauftexte etc. zur Autorisierung herausgeben.
Nochmal: Wer im Autorisierungsgefecht zu schnell schlappmacht, vorenthält dem Leser gutes Zeug (denn es werden ja meistens die provokanten, originellen, gewagten Aussagen einkassiert) und macht dem nächsten Interviewer die Arbeit noch schwerer, als sie eh schon ist.
Venceremos!